Unspielbare Stücke / Staging the Unplayable

Projektteam: Mag. Dr. Maria Piok (Innsbruck), Janina Janke (Berlin), PD Dr. Toni Bernhart (Stuttgart)

Unspielbare Stücke / Staging the Unplayable

In der Theaterpraxis sind die Kategorien ‚spielbar‘ und ‚unspielbar‘ stehende Begriffe mit klar umrissener Bedeutung. Ganz anders verhält es sich in literatur-, theater- und kulturwissenschaftlichen Diskursen, in denen ‚Unspielbarkeit‘ von Theaterstücken kein in irgendeiner Weise wissenschaftlich umrissener Terminus ist. Das Projekt „Unspielbare Stücke / Staging the Unplayable“, das sich derzeit in der Phase der Konturierung und Mittelsicherung befindet, erforscht den Bedeutungsraum des Konzepts der ‚Unspielbarkeit‘, stellt diesem ein Korpus ‚unspielbarer‘ oder ‚vergessener‘ Dramen gegenüber und vergleicht die Vorstellung von ‚Unspielbarkeit‘ mit dem Korpus ‚unspielbarer‘ Stücke. Dabei werden formale, ästhetische, politische, philosophische und religiöse Faktoren sichtbar, die jeweils die ‚Unspielbarkeit‘ oder ‚Spielbarkeit‘ dramatischer Texte favorisieren. Solche Faktoren können sich zeit- und epochenbedingt voneinander unterscheiden oder einander ähnlich sein.

‚Unspielbarkeit‘ tritt umso deutlicher hervor, je stärker Werte- und Normensysteme von Drama, Performance, Rezeption und Publikum differieren. Daher wird das Korpus zeitlich breit gefasst sein und dramatische Texte vom späten Mittelalter über die Frühe Neuzeit bis in die Gegenwart berücksichtigen. Eine spezielles Sub-Korpus bilden Texte, die bislang ungedruckt, ungespielt und unerschlossen, jedoch in Archiven auffindbar sind. Ein Fallbeispiel wird das handschriftlich überlieferte Legendenspiel von St. Georg aus dem Jahr 1794 sein, das den Titel „Unüberwindlicher Heldenmuth und Siegreicher Marter-Kampf des Glorreichen Ritters St. Georgi“ trägt und im Pfarrarchiv von Graun im Vinschgau (Südtirol / Italien) verwahrt wird. Dieser Text zeigt zahlreiche relevante Aspekte, die im Projektverlauf zu vertiefen sind: Allegorien der Macht und des Religiösen, Maskulinität und Sexualität in Verbindung mit Martyrium und Ekstase, proto-psychologische Figuren, Tiere (beispielsweise Fische) und Maschinen (beispielsweise der Drache). Zum Projektauftakt im Herbst 2021 wird das Georgs-Spiel von Janina Janke und Toni Bernhart zusammen mit lokalen Theater- und Kulturvereinen am Textauffindungsort in Graun im Vinschgau zur Aufführung gebracht. Das örtliche Hallenbad wird die Bühne sein.

Der Forschungszugang zum Projekt „Unspielbare Stücke / Staging the Unplayable“ erfolgt aus zwei Richtungen: einerseits mit Methoden der Literatur- und Theaterwissenschaften, anderseits mit Methoden der künstlerischen Forschung (‚arts-based research‘). Projektpartner sind das Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, das Stuttgart Research Centre for Text Studies und die Abteilung für Neuere deutsche Literatur I der Universität Stuttgart.

 

Innenansicht des Hallenbads von Graun im Vinschgau
Innenansicht des Hallenbads von Graun im Vinschgau
Titelblatt des Legendenspiels von St. Georg (1794), Pfarrarchiv Graun im Vinschgau
Titelblatt des Legendenspiels von St. Georg (1794), Pfarrarchiv Graun im Vinschgau
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